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Macht braucht Liebe

Stellen wir uns vor, ein Kind rastet aus. Wie gehen wir damit um? Anerkennen oder Grenzen setzen? Oft stehen Eltern oder LehrerInnen vor genau dieser Alternative. Jede Emotion hat in der subjektiven Welt des Kindes ihren Sinn. Wenn die Wut da ist, ist sie nunmal da. Sie möchte gesehen und anerkannt werden. Ein “So, wie du bist, darfst du nicht sein!” würde dem Kind im Innersten schaden. Besser sei ein “Sei so, wie du bist, ich mag dich.” Oder?

Man kann dem klar entgegen halten, das sei doch einfach pädagogisches Gequatsche. Wichtig sei, klare Grenzen zu setzen. Wut und Aggression sind ja schließlich nicht dasselbe, die Emotion darf natürlich da sein, aber eben nicht das aggressive Verhalten. Sobald jemand verletzt wird, geht es so nicht mehr: Hier müssen wir einschreiten. Dass eine Emotion für das Kind einen Sinn hat, heißt ja nicht, dass sie auch im Großen und Ganzen (also in der Situation) wirklich sinnvoll ist.

Das hat etwas Paradoxes: Die Emotion des Kindes anerkennen bedeutet für mich nicht, mich ihr zu unterwerfen und mich selbst dabei zu verlieren, sondern ganz im Gegenteil – nur dann, wenn ich sie anerkenne und wenn ich verstehe, warum dieses Kind so reagiert, kann ich gemeinsam mit ihm nach Möglichkeiten suchen, etwas zu verändern. Das “Seinlassen” der Emotion ist also kein Gequatsche, sondern unabdingbare Notwendigkeit für eine adaptive Veränderung. Im Grenzensetzen bezüglich des Verhaltens muss ich natürlich trotzdem sehr klar und unnachgiebig sein – und zwar zum Wohle des Kindes. Diese Gratwanderung braucht Fingerspitzengefühl und eine große innere Klarheit.

Man kann das auch anders formulieren: Macht braucht Liebe. Als Erwachsener bin ich stärker, kann das Kind stoppen, es bremsen, begrenzen und lenken. Das ist hilfreich und notwendig, denn ich möchte dem Kind ja beibringen, mit seinen Mitmenschen klar zu kommen. Dennoch muss ich dabei sehr aufpassen. Die Begrenzung und Lenkung darf nicht zum Selbstzweck werden. Besonders, wenn es mein eigener Narzißmus ist, der meint, von vornherein schon zu wissen, was für das Kind richtig und gut ist, dann bin ich auf dem Holzweg. Ich darf seine Autonomie zu keinem Zeitpunkt einschränken oder gefährden.

Meine persönliche Haltung: Ich bin da lieber vorsichtig. Das, was für das Kind wirklich gut ist, ist vermutlich immer ein bisschen anders, als das, was ich zu wissen meine. Das Kind ist ein anderer Mensch, mit eigenen Bedürfnissen, Zielen und Intentionen, und es wäre schlichtweg anmaßend, mich über diesen Menschen zu erheben.

 

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