So ganz passt meine Theorie des letzten Eintrags noch nicht. Im oberen Bereich kann man vielleicht von einem Struktur-Schwerpunkt reden. Im unteren Bereich von einem Prozess-Schwerpunkt. Das heißt, dass im oberen Bereich durchaus auch Prozesse (z.B. gesellschaftliche Veränderungen wie Revolutionen) von statten gehen, und im unteren Bereich auch durchaus Strukturen (z.B. Körperstrukturen) existieren.
Mir scheint, ich habe da so etwas wie eine systemtheoretische Theorie der Emergenzen formuliert. Auf der Teilchenphysik baut alles auf. Darauf kommt die (klassische) Physik bzw. die Festkörperphysik. Darauf fußt die Chemie, darauf die Biologie. Darauf die Psychologie mit Bedürfnissen, Trieben, Emotionen. Aus diesen Phänomenen wiederum entsteht das (kollektive und individuell-erfahrungsmäßige) Unbewusste, dann dass Vorbewusste. All diese Dinge sind eher prozesshaft. Sie verändern sich mehr als dass sie starr sind. Oben entstehen aus vagen Ahnungen und inneren Bildern erste Hypothesen. Daraus dann, bei immer wiederkehrender Prüfung Konzepte, (positives) Wissen, sozusagen Dinge, die man “fest” in ein Buch schreibt. Daraus entstehen Institutionen, wir lehren diese Dinge an Schulen und Universitäten, es prägen sich (kollektive) Paradigmen und Weltbilder, die auch mehr oder weniger festgeschrieben sind. Darauf bauen noch umfassendere Institutionen wie Verbände, Unternehmen und letztlich internationale Konzerne und Staaten auf. All diese Phänomene sind zwar auch veränderlich, aber in ihrem Wesen eher starr als veränderlich.
Das Ich-Bewusstsein ist ein Brennpunkt, wie ein Nadelöhr, durch das all diese Dinge hindurch müssen. Immer dann, wenn Menschen Dinge selbst gestalten und nicht einfach laufen lassen. Beim Nachdenken wird mir deutlich, dass jedoch auch Dinge nach oben gelangen, die nicht durch das Ich laufen, sondern am Ich vorbei. Das ich ist gar nicht so wichtig, wie ich denke. Das, was am Ich vorbei läuft, sind automatische, impulsive Prozesse. Diese haben ebenfalls die Fähigkeit, Strukturen zu erzeugen, z.B. soziale Gruppen wie Freundschaften und Familien.
Wichtig bei all dem ist der Doppelcharakter von Strukturen: Strukturen können den Impulsen, die von unten kommen, einen Raum geben, damit diese sich entfalten können. Wenn z.B. von unten das Bedürfnis nach Ruhe, Entspannung kommt, kann man die zeitlich Struktur “Urlaub” und die räumliche Struktur “Urlaubsort mit Ferienwohnung” nutzen, um dies zu realisieren. Umgekehrt jedoch können Strukturen den Impulsen, die von unten kommen, entgegen laufen und diese blockieren. Wenn zum Beispiel von oben Arbeitszeiten vorgegeben sind, sind dies zeitliche und räumliche Strukturen, innerhalb derer das Bedürfnis nach Erholung nicht so viel Raum findet. Diesen Gedanken kann man noch weiter spinnen, und auf ganze Gesellschaften und Staaten ausdehnen. Eine Staatsstruktur, die diktatorisch von oben herab organisiert ist, schafft nicht so viel Raum für die Bedürfnisse der Bevölkerung wie eine Staatsstruktur, die demokratisch-flexibel von unten her immer wieder mal verändert wird.
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