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Original Gendlin

Gendlin macht irgendwie so lustige Sätze. Zum Beispiel: “‘they’ are interaffecting each other before they are they.”

Ist doch lustig. Da gibt es zwei Lebewesen. Menschen zum Beispiel. Prozesse. Wie auch immer. Und die beeinflussen sich schon, bevor sie sie selbst sind. Sie werden nämlich nur sie selbst, wenn einer der Prozesse gestoppt ist, weil ihm etwas fehlt, um fortgesetzt werden zu können. Nur dann tritt er als etwas Eigenständiges in den Vordergrund. Nur dadurch, dass er etwas impliziert, was nicht da ist, trennt er sich vom Rest des Lebensganzen. Und das, was nicht da ist, wird als “Objekt” sichtbar. Alles andere fällt nicht auf. Es fällt immer nur das auf, was einen Prozess fortsetzen könnte, der zeitweilig gestoppt ist. Wenn nichts fehlt, läuft alles immer sauber weiter in uns und mit uns und mit der Welt.

Wenn ich also einen Menschen treffe, der mir auffällt, dann nur deshalb, weil er etwas fortsetzt, was momentan bei mir gestoppt ist. Eine Sehnsucht vielleicht. Dieser Mensch beeinflusst mich schon, bevor ich ich bin. Gendlin nennt das “original interaction”, man könnte vielleicht sagen, Interaktion im Verborgenen. Im Gegensatz zu herkömmlicher Interaktion, bei der es zwei Teile gibt, die schon fertig ausgestanzt und offen sichtbar sind und einander auch offen beeinflussen.

Original Interaction. Ich find das wirklich lustig. Denn das hieße ja, wenn ich solch einen Menschen treffe, dass dieser Mensch mich besser kennt, als ich selbst mich kenne. Nur dieser Mensch weiß selbst auch nicht, dass das so ist. Verrückt ist das. Und wenn wir uns beeinflussen, fallen wir wieder in einen Zustand der “original interaction” hinein. Je mehr ich zum Original werde, desto weniger falle ich diesem Menschen auf. Denn das, was bei mir gestoppt war, wird ja durch diesen Menschen fortgesetzt. Und je mehr dieser Mensch zum Original wird, desto weniger fällt er mir auf. Denn auch durch mich wird das, was bei diesem Menschen gestoppt war, fortgesetzt.

Dann haben wir am Ende zwei Originale, die einander nicht mehr auffallen, ihnen weil nichts fehlt, alles sauber läuft mit einander und mit der Welt. Wenn man diese Menschen allerdings von außen betrachtet, fallen sie vermutlich schon auf. Originale bleiben nun mal Originale.

Vielleicht funktioniert so das das Prinzip des alten Ehepaares. 😉

4 Comments

  1. Anke Anke 13. September 2012

    Dazu fällt mir Martin Buber ein, der das “Ich und Du” folgendermaßen beschreibt: “Der Mensch wird am Du zum Ich. Gegenüber kommt und entschwindet, Beziehungsereignisse verdichten sich und zerstieben, und im Wechsel klärt sich, von Mal zu Mal wachsend, das Bewußtsein des gleichbleibenden Partners, das Ichbewußtsein. Zwar immer noch erscheint es nur im Gewebe der Beziehung, in der Relation zum Du, als Erkennbarwerden dessen, das nach dem Du langt und es nicht ist, aber immer kräftiger hervorbrechend, bis einmal die Bindung gesprengt ist und das Ich sich selbst, dem abgelösten, einen Augenblick lang wie einem Du gegenübersteht, um alsbald von sich Besitz zu ergreifen und fotan in seiner Bewußtheit in die Beziehungen zu treten.” (aus: “Ich und Du”, Reclam-Ausgabe S. 28f)

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