Es ist morgens, kurz vor 8. Direkt neben meiner Wohnung wird gerade ein Dach renoviert. Der Handwerker, der gleich mit seinem Tagwerk beginnen wird, steht auf dem Gerüst und zündet sich eine Zigarette an. Er lehnt sich entspannt auf die Brüstung, raucht, schaut hinab in den Garten, nimmt sich Zeit. Dann erst nimmt er den Hammer in die Hand und beginnt, die Folie von den Dachbalken zu lösen.
Was macht er in dieser Zeit, in der er raucht? Ich glaube, dass dies dem Focusing ähnlich ist. Ich glaube nicht, dass er während dieser Pause einen logischen Plan entwirft. Er lässt vermutlich innerlich eine Art von Gefühl für das entstehen, was heute kommen wird. Erst dann beginnt er, die Verhaltenssequenz, die daraus folgt, nach und nach sich entfalten zu lassen. Sie wird den ganzen Tag lang dauern.
Focusing und Handwerk sind sich wohl gar nicht so unähnlich, wie man immer meint. In beiden Fällen geht es darum, ein Gefühl für das Stimmige entstehen zu lassen. Besonders im Handwerk kommt es darauf an, nicht nur rein logisch-technisch zu agieren, sondern so, dass da etwas einrastet. Da ist immer das ganze Können des Menschen gefragt – Kopf, Herz und Hand.
Innehalten und Spüren spielt also auch in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Und man mag es in der heutigen, stark gesundheitsbezogenen Atmosphäre kaum glauben, aber: Rauchen hilft dabei enorm. Schade nur, dass wir uns diese Pausen nicht einfach so erlauben, dass wir immer einen Grund brauchen (z.B. die Zigarette, die Tasse Kaffee), um Innezuhalten.
Oder anders gesagt: Einfach nur so innehalten und nachspüren – das können wir noch üben.
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