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Neue Helden

In einem der frühen Star Wars Filme gibt es eine Szene, in der die Hauptfigur, Luke Skywalker, in einem kleinen Mini-Raumschiff sitzt und mit atemberaubender Geschwindigkeit durch einen tiefen Kanal des Todessterns jagt. Sein Ziel ist es, den Stern zu vernichten. Er hat die Baupläne des künstlichen Planeten studiert, und gemeinsam mit seinen Gefährten eine Stelle gefunden, an der der ansonsten so sichere Stern extrem verwundbar ist. So gesehen ist diese Geschichte eine Variation der alten Mär von Siegfried und dem Lindenblatt. Siegfried, der Drachentöter, ist eine Figur aus einer deutschen Sage. Er tötete den Drachen und badete im Blut der getöteten Kreatur. Nur an seiner Ferse, an der ein Lindenblatt klebte, bleibt er verwundbar. Sein Körper ist durch das Blut des Feindes hart und stählern geworden. An einer kleinen Stelle jedoch bleibt er weich und verletzlich.

In jeder Situation in unserem Leben gibt es ein solch kleine Stelle, einen Schatten, der das ansonsten Perfekte durch die Unperfektion erst wirklich rund und echt macht. Auch jeder Mensch hatte in seinem Leben irgendwo ein Lindenblatt, als er sich in den Kämpfen des Alltags hart gemacht hat. Die Frage ist, ob wir uns damit beschäftigen wollen, ob wir diese Stelle lieb haben und uns an ihr erfreuen können, oder ob wir versuchen wollen, sie zu ignorieren, sie zu verkleinern und loszuwerden, um vollständig zu verhärten.

Es ist auch eine kleine, unscheinbare Stelle in der Technik des Planeten, in die Luke Skywalker mit der Strahlenkanone hineinfeuern muss, damit der Todesstern vernichtet wird. Dem aufmerksamen Leser dürfte jedoch aufgefallen sein sein, dass etwas an meiner bisherigen Logik nicht ganz stimmt. Wenn man etwas genauer darüber nachdenkt, so wird schnell ein innerer Widerspruch deutlich: Während nämlich Siegfried, der alte deutsche Held, den Drachen tötete und nach dem Kampfe versuchte, unverwundbar zu werden, bleibt Skywalker, der Held der Zukunft, von vornherein verwundbar. Er versucht auch gar nicht erst, das zu ändern. Es gibt keinen Augenblick, in dem er darauf aus ist, sich zu stählen und hart zu machen.

So gesehen hat sich unser Heldenbild gewandelt. Während früher der Kämpfer, der auszog, den Drachen zu töten, der Held war, und der Drache der Feind, so ist in moderner Zeit das (fast) Unverwundbare seinerseits der neue Feind geworden. Würde man die beiden Geschichten wie Overheadfolien übereinander legen, so würde die alte Figur des Siegfried eher mit dem Bild des Todessterns kongruieren, als mit dem des jungen Luke. Die neuen Helden sind nicht mehr die verwegenen Kämpfer, die die Drachen töten, sondern diejenigen, die nach kleinen, unscheinbaren Stellen im Leben suchen, die an die Form von Lindenblättern erinnern.

Wenn sie sie gefunden haben, feuern sie jedoch nicht hinein. In diesem Aspekt ist auch Skywalker ein alter Held wie Siegfried, ganz im ganz klassischen Sinne. Die neuen Helden nutzen die verwundbare Stelle nicht aus, für ihren eigenen Sieg, sondern sie legen behutsam und liebevoll eine wärmende Hand darauf. Sie lassen sich von ihr leiten, wie von einem stillen Wegweiser. Sie schließen die Augen und laufen darauf zu. So wie Skywalker feuert, ohne die Zielvorrichtung zu verwenden, verlasse sie sich ganz auf ihr Gespür für die Situation.

In diesem Sinne: Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein gutes neues Jahr und die Fähigkeit, mit geschlossenen Augen zu laufen! Möge die Macht mit uns sein!
🙂

Ein Kommentar

  1. […] 4. Ich glaube, die Führung eines Landes (oder einer Schule, einer Institution, einer Gemeinde usw.) sollte emotional empfindsam sein, sollte in enger Fühlung mit ihrem eigenen inneren Erleben stehen können. Honecker war, genauso die meisten anderen der DDR-Führung auch, noch ein Politiker der alten Art. Das meint: Er rationalisiert und abstrahiert alles von sich selbst weg. Ich habe kaum je ein Interview gelesen, in dem so viele Substantive und so wenige Verben vorkommen. Ich glaube, viele Männer waren früher so. Besonders die, die Macht hatten. Sie hatten genau deswegen Macht, weil sie sich von sich selbst innerlich abschnürten. Ich glaube jedoch, dass dies in einer komplexen Welt, wie der heutigen, nicht mehr funktioniert. Wir brauchen heute empfindsame Politiker, um den Todesstern nachhaltig zu verändern. […]

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