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Fühlen führt

Vor einigen Tagen durfte ich einer Seminarstunde beiwohnen, in der Bettina Markones Studis erklärt und gezeigt hat, was Focusing ist. Ich war froh, dass ich mich ein wenig zurücklehnen und selbst mit zuhören konnte. Ich staune in solchen Situationen immer wieder darüber, wie bereichernd das ist, wenn ein Mensch sein Können vorführt. Da ich jetzt seit mittlerweile 8 Jahren Focusing praktiziere und mich auch theoretisch mit dem Thema (Technik, Haltung, dahinterstehende Philosophie usw.) beschäftige, ist Vieles davon mir in Fleisch und Blut übergegangen. Aber es ist nochmal eine ganz andere Nummer, einem Meister eines Fachs zuzuhören und beizuwohnen.

Was mir vor allem klar wurde, war, wie wichtig die Basics tatsächlich sind. Die allerersten einfachen Schritte, die man zuerst kennen lernt. Der erste dieser Schritte ist das sogenannte “Freiraum-Schaffen”. Die Grundidee ist ganz schlicht: Wenn wir noch verwickelt sind in ein Thema, sind wir nicht in der Lage, über Lösungen nachzudenken. Es gibt keinen Unterschied zwischen mir und dem Thema: “Es ist nur Problem.” Deshalb ist es zunächst sinnvoll, Abstand zu erzeugen. Es gibt unzählige Variationen der FreiRaum-Übung. Eine oftmals wirksame Möglichkeit ist es, sich vor dem inneren Auge vorzustellen, wie man unterschiedliche Themen in Päckchen packt und sie an gute Orte gibt, wo sie sich (zumindest einigermaßen) wohlfühlen. Auf diese Art sortiert man nach und nach sein ganzes Leben. Von “Da ist nur Problem” gelangt man zu “Hier bin ich und dort ist das Problem”. Es ist eine Handbreit Luft dazwischen gekommen und das Problem wir zu einem greifbaren und begreifbaren Etwas. Dann erst kann man, in den nächsten Focusing-Schritten, damit beginnen, Päckchen einzeln herzunehmen und über Lösungen nachzudenken.

Beziehungsweise: nachzuspüren. Denn Focusing ist keine Kopfarbeit, sondern primär Körperarbeit. Es geht eher darum, dem neuen Gefühl Raum zu geben, das bereits “weiß”, wie es sein wird, wenn das Problem gelöst ist, statt das Problem zu analysieren und rational zu durchdringen. Auch das wurde nochmal ganz deutlich in der Seminarstunde. Es geht vor allem darum, den Körperempfindungen, die mit einer möglichen Lösung assoziiert sind, nachzuspüren und sie präzise zu symbolisieren. Zu erspüren, wie sie sich im Prozess des Wahrnehmens langsam verändern. Auf diese Weise findet man zu frischen neuen Schritten, die, aus der alten Problemtrance heraus, nicht vorhersehbar waren. Diese Haltung ist aus dem systemischen Arbeiten übernommen. Ich finde die Idee gut, den konkreten Lösungs-Schritt schon an der Stelle im Freiraum-Schritt einzubauen, an dem ich das Problem herausgestellt habe. Da ist die perfekte Lücke, in die man den Keimling für eine Lösung hineinpflanzen kann.

Diese beiden Kleinigkeiten möchte ich hier im Tagebuch festhalten:

  • Nach dem klassischen Freiraumschritt einen kleinen Lösung-Gefühls-Schritt einbauen (“Wie fühlt es sich an, wenn das Problem gelöst ist?”)
  • Körperempfindungen symbolisieren. Und zwar wirklich, wirklich Körperempfindungen. Bei meiner ganzen Beschäftigung mit Sprache und Kommunikation in den letzten Jahren vergesse ich das manchmal, dass es zu allererst darum geht, neue Dinge zu fühlen.

Zusammengebracht: Zu fühlen, dass alles gut ist, ist der Beginn von etwas Neuem, was dazu führen wird, dass alles gut ist. Fühlen führt.

Und, vielleicht noch ein dritter Gedanke zum Schluss: Focusing macht Spaß und ist kinderleicht. Das lerne ich auch von Bettina, die mit Kindern Focusing macht, nicht nur mit Problemthemen, sondern einfach so. Zu allem möglichen. Zu schönen Dingen. Dann braucht man auch nichts in Päckchen zu packen und rauszustellen, sondern kann von Anfang an in den reinen Genuss angenehmer Empfindungen kommen.

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