"Enter" drücken, um zum Inhalt weiterzugehen

Ein Sanduhr-Modell (theory for everything, revisited)

Vor einigen Jahren habe ich mal eine grobe, noch völlig unausgegorene theory for everything aufgemalt, naiv und unbedacht. Heute, geschult in Prozessdenken, kann ich das, was ich damals im Sinn hatte, vereinfachter und präziser formulieren.

Folgende Grafik fasst das (für mich) Wesentliche des Denkens in Prozessen zusammen:

Sprachlich ausformuliert:

  • Organismus und Umwelt sind nur in symbolischen Prozessen unterschieden. Wenn wir darüber nachdenken oder sprechen, bin ich hier und meine Umwelt ist dort (reflektive / explizite Ebene). Beides bekommt dann einen eigenen Namen. Als symbolisierender Beobachter trenne ich beides. Entweder etwas ist Umwelt, oder etwas ist Organismus. Die Hautlinie ist (meistens) die Grenze, an der ich diese Unterscheidung fest mache.
  • Körper und Umwelt sind in physikalischen Prozessen ineinander bis ins Innerste hinein verwoben (präreflektive / implizite Ebene). Prozesshaft gedacht: Wenn z.B. Wasser von den Wurzeln in den Baum aufgenommen und über die Blätter wieder ausgeschieden wird, so kann man nicht sagen, wo das Wasser aufhört, Umwelt zu sein, wo es beginnt, Baum zu sein und wo es wieder Umwelt wird. Als Beobachter kann man das sehr wohl: Klar, an den Grenzen der Wurzeln wird das Wasser Baum und an den Grenzen der Blätter wird es wieder Umwelt. Prozesshaft gedacht jedoch ist da nur ein großes, ganzes voranfließendes und ineinanderverschränktes Strömen. Das voranströmende Wasser ist, prozesshaft gedacht, jederzeit sowohl Umwelt, als auch Organismus. Es reißt im Strömen (in einer gesunden, lebendigen Organismus-Umwelt-Interaktion) zu keinem Zeitpunkt ab.
  • In den körperlichen Prozessen gehen Umwelt und Organismus fließend ineinander über. Das Wasser fließt nicht einfach nur durch den Baum hindurch, wie durch ein Rohr, sondern es wird vom Baumkörper (genauso wie auch von Tier- und Menschenkörpern) in allen Verästelungen verstreut, verarbeitet und funktional genutzt. Körperprozesse “pulsieren” dabei in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt, Körperprozesse entfalten sich in Rhythmen (Hunger-Durst, Schlafen-Wachen, Aktivität-Ruhe, Sommer-Winter usw.). Was in Körperprozessen impliziert ist, kann geschehen, was geschieht, impliziert wiederum das, was als nächstes geschehen kann. Körperprozesse “implizieren sich auf diese Weise selbst voran”.
  • Wenn einmal ein bestimmter Körperprozess gestoppt ist (ein bestimmter Umweltaspekt fehlt, der notwendig wäre, um den Körperprozess fortzusetzen), entfaltet sich ein Potenzial für einen Verhaltensprozess. Wenn beispielsweise in der Umwelt Nahrung fehlt, so entwickelt der Organismus das Potenzial für Verhaltensprozesse. Ein Verhaltensprozess hat mehr Freiheitsgrade als ein reiner Körperprozess. Verhalten ist Körperbewegung: Durch Variationen der Körperprozesse verändert sich die physikalische Körper-Umwelt-Interaktion so, dass eine andersartige Fortsetzung des gestoppten Körperprozesses möglich wird. Verhaltensprozesse antizipieren dabei ihre eigenen Effekte – durch das Feedback der Umwelt (Gelingen oder Mißlingen) “lernt” der Organismus, Verhaltenssequenzen so zu variieren, dass Erfolg möglich wird (also die Aufhebung des Prozess-Stopps).
  • Wenn einmal ein bestimmter Verhaltensprozess gestoppt ist, entfaltet sich ein Potenzial für einen symbolischen Prozess. Manche Tiere, die gegeneinander kämpfen, entwickeln z.B. eine Art von symbolischem “Kampf-Tanz”. Dieser Tanz ist selbst nicht mehr nur reines Verhalten, sondern er “handelt vom Kämpfen”. Durch die Symbolisierung von Verhaltenskontexten wird es möglich, diese Kontexte “heranzuholen”, sie zu verändern und über sie zu bestimmen, ohne in ihnen agieren zu müssen. Ein neuer Raum öffnet sich: Wo bisher der Verhaltensraum die Möglichkeiten für das, was geschehen kann, bestimmt hat, bringt der symbolische Raum erneut eine Weitung der Freiheitsgrade mit sich. Wenn ich darüber kommunizieren kann, was getan oder nicht getan werden kann, so wird es möglich, komplexe Zusammenhänge zu benennen, zu planen, zu urteilen und logisch zu schlussfolgern: Kulturelles Handeln entsteht.
  • Wenn symbolische Prozesse gestoppt sind, wird künstlerisches / schöpferisches / kreatives Handeln möglich.

 

Als Erster einen Kommentar schreiben

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert